Kindern erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen.
Erwachsenen, damit sie aufwachen.

Jorge Bucay

Erfolg durch Scheitern

Untersuchungen zeigen, wer früh (z.B. am Anfang einer Ausbildung, einer Karriere, der Selbstständigkeit etc.) Fehlschläge erlebt und daraus lernt, wird deutlich erfolgreicher sein, als wer am Anfang nicht scheitert. Aus dieser Erkenntnis entstand der Gedanke des „fail fast“, der in der amerikanischen Unternehmenskultur weit verbreitet ist und ein Gegenstück darstellt zu der bei uns mehrheitlich vertretenen „fast track“ Ideologie, also möglichst schnell erfolgreich sein zu wollen. 
Während hierzulande geradlinige Lebensläufe, Abschlüsse und Diplome I.R. am höchsten gewichtet werden, ist eine andere Option, Brüche in Lebensläufen, Fehlschläge und Scheitern als Erfahrung und Reife zu werten, als Zeichen für Kraft und Mut wieder aufzustehen und nicht zuletzt als Garantie, dass eine bestimmte Art von Fehler wahrscheinlich nicht mehr gemacht wird. 
Es ist schon erstaunlich, dass wir schon unseren Kindern u.a. auch in der Schule beibringen, dass Irren und Fehler machen etwas ist, wofür man sich schämen muss. Gleichzeitig gibt es ziemlich sicher keine*n einzige*n Forscher*in auf der Welt, der*die Irren nicht als notwendig betrachtet, um neuen Erkenntnissen und dem Erfolg näher zu kommen.
Fehler machen sollte als Etappe auf dem Weg zum Verstehen und des (sich) Entwickelns gelehrt und verstanden werden. Statt sich zu schämen für Fehler, schlechte Noten etc. sollten wir ermutigen, Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen und vorwärts zu kommen. 
Das gleiche gilt auch für den Erfolg in Unternehmen: Eine gute Fehlerkultur ist eine der wichtigsten Erfolgsvoraussetzungen. Denn wo ich mich irren darf, da kann ich (mich) entwickeln. Und im Gegenzug: Wo keine Fehler passieren dürfen, wird (ungewollt) Stillstand gefördert, da schlicht das Sicherungsnetz fehlt, Neues zu probieren und über den Status quo hinauszuwachsen.
Es spricht also nichts dagegen, unseren Rationalismus wenigstens ab und zu hinten an zu stellen und uns mehr von Empiriker*innen wie Emerson (1803 – 1882) leiten zu lassen, der sagte: "All life is an experiment. The more experiments you make the better." Oder ganz nach dem Motto von S. Beckett (1906 - 1989): "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail better."

August 2022

Zitrone oder Limonade?

Man sagt: "Wenn dir das Leben Zitrone gibt, mach Limonade draus." 

Aha, also sozusagen den Blick einfach weg vom Sauren, etwas Zucker drauf und schon ist gut?! Eher nicht. Jedenfalls längst nicht immer. Manchmal ist Zitrone einfach Zitrone und es ist auch ganz okay, ja sogar gut, sich das einzugestehen. Es ist wichtig, dass wir wahrnehmen, was uns nicht gut tut. Z.B. Situationen oder Menschen. Das erst gibt uns den nötigen Kick, etwas zu ändern. Wenn wir diesen Impuls „iik, saure Zitrone!“ zu rasch aus der Welt schaffen und aus jeder Zitrone direkt Limonade machen, verpassen wir vielleicht die Chance, ehrlich nach dem passenden Weg für uns zu suchen. Also wenn dir das Leben das nächste Mal Zitrone gibt, halte wenn möglich einen Moment inne und frage dich: Ist es Zeit für Limonade oder für einen Schlussstrich? Limonade heisst, es ist Zeit, an der bestehenden Situation etwas zu verbessern, so dass aus Saurem eben Limonade werden kann. Schlussstrich heisst, es ist Zeit zu akzeptieren, dass diese Zitrone sauer ist und bleibt oder mit anderen Worten: Scheisse ist Scheisse und im besten Fall Dünger für etwas Neues.

Juni 2022


Auf das gelebte Leben

Erfolge feiern liegt im Trend

Schau her, welche Hindernisse ich überwunden und welche Siege ich errungen hab!

Schau, wie mein Einsatz und mein Mut sich gelohnt haben!

Das Gelungene zu teilen, fällt uns leicht

Und gleichzeitig wissen und kennen wir es alle:

Leben ist mehr als seine Sonnenseiten

Mehr als makellose Gesichter und getrimmte Körper

Mehr als lachende Bilderbuchmomente

Mehr als das, was gelingt

Manchmal ist Leben dunkle, sternenlose Nacht, deren Ende nicht in Sicht ist

Manchmal ist Leben grausam, zerstörerisch, zermürbend

Manchmal ist Leben Ohnmacht

Und das ist nur schwer auszuhalten

Also tun wir, was in unserer Macht steht, um dieses Gefühl gar nicht erst aufkommen zu lassen

Koste es, was es wolle

Hauptsache es verschwindet 

Denn im Angesicht der Ohnmacht

Könnte unausweichlich klar werden:

Es gibt sie

Die Fragen ohne Antworten

Die Geschehnisse ohne Sinn

Die Situationen ohne Ausweg

Die Ungerechtigkeiten, die nicht weg zu diskutieren sind

Und dann stehen wir

Mitten in der Nacht

klein und verletzlich

Und zum Vorschein kommt, was wir mit aller Macht vergessen wollten:

Unsere Begrenztheit und damit auch unsere Endlichkeit

-

Endlich sind wir

Und endlich ist alles

Das Schöne und das Traurige

Das Schlechte und das Gute

Das Angenehme und das Unangenehme

Der Tag und die Nacht

Die Macht und die Ohnmacht

Alles kommt und alles geht

Und vielleicht steckt gerade darin eine grosse Kraft, eine Chance, ein Lebendig-Sein

Wie der Herbst, der den Baum auffordert seine Blätter loszulassen

Wie der Frühling, der die neuen Sprosse aus dem Boden treibt

All das ist Leben

Also will ich Erfolge feiern und Misserfolge ebenso

Ich will Gipfel erklimmen und Täler durchwandern

Macht haben und Ohnmacht akzeptieren

Strahlen und verletzlich sein

Ich will die Chance annehmen, die in beidem liegt und die in Erinnerung ruft:

Wir brauchen einander

Denn alles ist miteinander verwoben

Wir atmen die selbe Luft, leben auf der selben Erde, nutzen die selben Ressourcen

Alles ist Teil von uns. 

Die Grenzen und die Möglichkeiten.

All das ist Leben.

Und all das sind wir.

Auf ein Neues Jahr 

Voller gelebtem Leben 

In Verbundenheit 

Miteinander und mit allem um uns.

Dezember 2021

Um-Deutung

aus einem Coaching

P: Ich schaffe es eh nicht, mein Ziel zu erreichen.
Ich: Wie kommen Sie darauf?
P: Ich bin faul.
Ich: Sagt wer?
P: Man sagte es mir. Immer wieder. Eltern. Lehrpersonen etc.
Ich: Mit welcher Begründung?
P: Weil ich nur das Minimum und das Meiste auch noch im letzten Moment erledigte.
Ich: Wie waren Ihre Noten in der Schule?
P: Zwischen okay und sehr gut.
Ich lege drei Hindernisse auf den Tisch und dahinter ein symbolisches Ziel.
Ich: Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor diesen Hindernissen und wollen zum Ziel. Was machen Sie?
Ohne einen Moment zu überlegen, antwortet die Person:
P: Ich gehe aussen rum.
Ich: Ist das nun faul?
P: Hm…
Ich: Ich denke, es ist intelligent.
P: Ach ja?
Ich: Den schnellsten, zielführenden Weg mit möglichst wenig Aufwand zu finden, setzt Intelligenz voraus. Sie schafften es, mit möglichst wenig Aufwand, okay bis sehr gute Noten zu erzielen. Das ist eine Leistung!
P: Dann bin ich also intelligent und nicht faul?!
Ich: Yes! Und wenn Sie sich ein Ziel setzen, werden Sie Ihre Intelligenz nutzen, um es zu erreichen. Wenn es bedeutet, Hindernisse dafür überwinden zu müssen (weil es keinen Weg daran vorbei gibt), werden Sie die Hindernisse überwinden (lernen).

Dezember 2019

Un-Wörter

Unnötig
Unwichtig
Umweg
Unhaltbar
Unsäglich
Unmännlich
Unweiblich
Undenkbar
Unaustehbar
Unordentlich
Unqualifiziert
Unwahr
Unfug
Unzeitgemäss
Untauglich

Unkraut
Es war mal wieder Zeit.
Eigentlich schon längst überfällig.
Das Unkraut zwischen den Steinplatten musste weichen. Mit den entsprechenden Gartengeräten ausgerüstet, machte ich mich ans Werk.
Un-ästhetisches. Un-ordentliches. UN-KRAUT!
Jetzt geht es dir an den Kragen!
Und plötzlich das: Inmitten des Unkrauts dieses unglaublich, wunder-, wunder-, wunderhübsche Miniatur Blümchen.
Und könnte es, würde es vielleicht sagen:
Es ist an der Zeit
um-zudeuten
um-zudenken
und
das vermeintlich
Un-Passende und Un-Nötige und
den vermeintlichen
Um-Weg zu
UM-ARMEN.
Damit die Blume sichtbar werden kann.
Im Annehmen liegt der Schlüssel zur Veränderung. 

Juli 2019

Gutes Wachstum?

"Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug" (Epikur). Über weite Strecken haben wir Wachstum mit Unersättlichkeit gleichgestellt. Immer mehr, weiter, schneller hiess die Devise. Genug war definitiv nie genug. An vielen Orten und in vielen Bereichen ist seit längerem ein Umdenken im Gange. In der Pädagogik (statt Frühenglisch wieder raus in den Wald), in der Wirtschaft (z.B. Gemeinwohl-Ökonomie), im Arbeitsleben (z.B. Verkürzung der Arbeitszeit von 8 auf 6 Stunden/Tag) und im Privaten (müssiges Nichtstun als Burnout Prophylaxe). Heute und in Zukunft werden wir gefordert sein, die tiefen Furchen, die unser unersättliches Wachstum hinterlässt, wie Klimawandel und Insektensterben, zu glätten. Uns darauf zu besinnen, dass mehr nicht immer mehr ist, schneller nicht immer besser. Gleichzeitig: Zu wachsen bedeutet lebendig zu sein. Denn alles Lebendige strebt danach zu wachsen. Gutes Wachstum soll und darf also möglich sein. Die Frage ist, was bedeutet "gutes Wachstum"? Ich mag den Ansatz von Jochen Mariss: "Wachsen heisst: Ganz behutsam und allmählich die uns eigene Grösse zu entwickeln, bis wir den Himmel in uns berühren." 
Wachsen, behutsam und langsam. In meinem mir eigenen Tempo. Und wachsen - nicht über mich hinaus, sondern zu mir hin. In meine mir eigene Grösse hinein. 
Bis ich den Himmel in mir berühren kann.

Mai 2019

Time for a change?

Remember:

Growing confidence might feel like arrogance, when you are used to beeing insecure.

Becoming more assertive might feel like aggression, when your are used to be hesitant.

Learning to prioritize yourself might feel selfish, when you are not used to name your needs.

Your comfort zone is not a good benchmark.

Growth begins beyond your habits.

April 2022